Nunu ist überall ( Kleine Kinder- Bilderbuchgeschichte)

 

Nunu ist überall

Medea lief wie immer, wenn die ersten Sonnenstrahlen den Tag begrüßten, barfuß über die kleine Dorfstraße zu dem großen Baum. Hier hing ihre Schwinge; das war ein dickes Seil, an dem ein braunes Stück Rundholz mit einem gekonnten Seemannsknoten befestigt war. Eine super Baumschaukel, die Medea über alles liebte. Sie sprang mit Anlauf auf die Schwinge und flog über die grüne Wiese. Ihr langes, glattes, schwarzes Haar streichelte ihr Gesicht und ihre leuchtend grünen Augen funkelten wie die Buchenblätter des Baumes, wenn die ersten Sonnenstrahlen sie berührten. „Sag mir wo die Blumen sind, wo sind sie geblieben?“ sang Medea melancholisch das alte Lied. „Warum heut´ so traurig?“ hörte  sie plötzlich eine ganz leise, sanfte Stimme fragen. Medea schaute sich erstaunt um und sah nichts außer den blauen Himmel, die Sonne den Baum und die Wiese. „Wer spricht denn da mit mir?“ wollte sie wissen und war sehr neugierig. „Na ich! Du siehst mich überall, wenn du willst. Schau oben in den Wipfel des Baumes über dir!“.  Ihr Blick wanderte nach oben „Hmmm,…ich sehe nur das schöne Leuchten der Blätter und die Strahlen der Sonne, die dort durchbrechen“  erklärte sie. „Genau, sprach die sanfte Stimme. „ Dann siehst du mich doch!“. Mit einem gekonnten Satz sprang sie von der Schaukel und kletterte flink auf den Baum hinauf. Sie setzte sich in die große breite Astgabel, eines ihrer Lieblingsplätze, und lauschte dem leisen Rascheln der Buchenblätter zu als der laue Frühlingswind hindurch streift.

„Bist du heute nachdenklich?“ fragte die Stimme weiter. „ Nun ja, weißt du“ erklärte Medea, alle Kinder ärgern mich so oft, weil ich noch immer sehr klein bin, obwohl ich schon bald 9 Jahre alt werde“ erzählte sie ihren Kummer. „Du bist so ein schlaues Mädchen, bist witzig, sehr fantasievoll und hübsch. Ärgere dich nicht über die Größe deines Körpers. Weißt du nicht, dass die kleinsten Dinge im Leben die größten sind?“ hörte sie das Nichts sagen. „Wie heißt du?“ wollte Medea wissen. „Gib mir einen Namen!“ klang es aus dem Baumwipfel. „Nun ja, da du im Nu da warst, nenn ich dich Nunu“ freute sie sich und rutschte den Baumstamm hinunter. Ein Tautropfen glänzte in allen Regenbogenfarben auf einer kleinen Blume auf der Wiese. Vorsichtig betrachtete sie die schillernde kleine Wasserperle. „Schau schon hast du mich wieder gefunden“  flüsterte es durch den Wind aus dem bunten Tropfen. „Das bist Du?“ fragte Medea leise. „Ich dachte du bist das Leuchten der Blätter?“ Die liebliche Stimme erklärte ihr: „Ich bin überall da, wo du die Schönheit und Liebe erkennst. Oft bin ich an stillen Orten der Ruhe und Besinnung und dort, wo die Sonne die Erde küsst oder der Mondschein die Sterne umhüllt. Ich fliege mit dem Wind, tanze mit dem Licht und genieße den Duft der Rosen. Und dort wo die Menschen lachen, singen und fröhlich sind, freue ich mich mit ihnen. Auch wenn sie weinen, bin ich da! Nur leider sehen sie mich dann gar nicht, weil ihr Kummer ihren Blick so trübt. Ich liebe den Klang der Natur und schöne Melodien. Du kannst mich überall dort finden und hören, wo dein Herz sich öffnet“.

 

Medea wurde es ganz warm und sie fühlte einen Hauch von Glück und Seligkeit. Plötzlich fühlte sie sich so wohlig umhüllt, als würde sie nach einem kalten Wintertag abends in ein duftend warmes Bad eintauchen. „Weißt du, gräme dich nicht, weil dein Körper noch klein ist. Deine wahre Größe sitzt im Herzen und da du mich sehen, fühlen und hören kannst, bist du riesig groß. Klein sind nur all die Menschen, die das nicht mehr können oder nie konnten. Sie tun mir leid!“ hörte sie Nunu sagen.

Medea legte sich auf die Wiese und sah den wattebauschigen weißen Wolken zu, wie sie am Himmel segelten und ihre Gestalt veränderten. „Bist du nun da oben?“ wollte sie von Nunu wissen. „Ja“, kam es sanft zurück und wenn du mich brauchst, weißt du ja nun wo ich bin.“ Medea lauschte den Klängen der Natur und fühlte den Frühlingswind auf ihrer Haut. Er streichelte über ihre roten Wangen. Sie roch den Duft der Wiesenblumen und begann zu singen. Ihre Stimme klang so zärtlich und rein und ihr Lied tanzte durch diesen schönen Frühlingsmorgen. Sie war glücklich.

 

„Mit wem hast du gesprochen?“ hörte sie plötzlich eine ganz vertraute Stimme fragen. Es war ihre Mutter, die gerade aus dem Garten kam. „Mit einem Engel“, antwortete sie und sang weiter......

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